beraubte bedeutung / befreite form

Bachingers Objekt-Fotografie pflegt die Kunst der enthüllenden Verkleidung

Eine Betrachtung von Johannes Hucke

Werbe-Nostalgie hat sich schon so lange als Projektfeld etabliert, dass ihr Ansatz selber bisweilen nostalgisch erscheint. Scheinbar nebensächlich ins kindliche Erleben eingespeiste Sprüche und Embleme bieten späterhin ein Depot für Konvergenz-Möglichkeiten, wo es an anderen gemeinsamen Identitätsmerkmalen, an größeren Erzählungen fehlt. Die unterschiedlichsten Disziplinen nähren sich inzwischen aus diesem Zeichen-Pool: Sozialwissenschaften, Kabarett, nicht zuletzt die Werbung selbst.

Für den Bereich der Produkt-Fotografie bedeutet Bachingers Serie so etwas wie das Hereinbrechen der Schwarzen Romantik über die Gefilde argloser Spiele. Die Titel sind getilgt; es bleibt die Kontur, der Gedanke, das freigelegte Design. Positive Besetzungen, emotionalisiertes Wiedererkennen lösen sich vom Produkt-Namen – ein dialektisches Verfahren, das an die dunklen Kunst-Strömungen der Nach-Aufklärung (oder der 2. Aufklärung) erinnert. Die Fläche wird abgedunkelt, der Illusionsapparat abgeschaltet, der Raum geöffnet für das Schimmern der Vieldeutigkeit.

Mit Peter Schlemihl hat Chamisso den Schatten als Protagonisten salonfähig gemacht; E.Th.A. Hoffmann übereignet die Deutungshoheit dem philosophischen Kater und der singenden Maschine; bei Bonaventura (Klingemann) ist es schließlich die Nacht, die den Schauern der Reflexion das Stadt-Tor öffnet. – „Man sieht mehr, wenn es dunkel wird.“ Das hat Enzensberger geschrieben.

Schemen also anstelle von Gewissheiten, verschleiernde Enthüllungen, abgekoppelt vom Spektrum des Intentionalen. Unternimmt es die zeitgenössische „Reklame“, die – ersatzweise – Idol-Stellung der Marken auf Profitmaximierung abzuklopfen, versucht sich Bachinger an der Wiedergewinnung der offenen Struktur des Mythos. Die Frage des Betrachters „Was war das noch eigentlich?“ erfährt eine irritierende Verselbständigung; der – vorläufige – Mangel an Zuordnungsoptionen setzt die innere Erzählung in Gang. Im Assoziationsrepertoire der Wahrnehmung werden just jene Segmente aktiviert, die bei umstandsloser, Ziel geleiteter Rekognostizierung auf der Strecke bleiben.

Bachinger betätigt sich als Emanzipationshelfer – nicht für Golems, sondern für ungestaltete Gedanken, die das Zentrum der Aufmerksamkeit umschweben. Auferweckt von den Untoten, besetzen die Ritter der Reminiszenz die Schaltstellen der Konsumästhetik; was sie vorfinden, sind verbrannte Märkte. Vielleicht ist es das, wovon Kultur im Herzen träumt: Räume besetzen, die frei von Gräueln wären.

 

 

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